Im Land des Hechelns

Am Samstag findet in Affoltern eine Agility-Prüfung statt. Was die einen zum Schmunzeln bringt, ist für andere knochenharter Sport. 

Der Empfang ist überaus freundlich. Bereits Dutzende Meter vor dem Wettkampfareal wird dem Besucher von einem der Sportler voller Demut ein Stück Holz vor die Füsse gelegt. Ein freundlicher Blick, der Mund zeigt etwas, was ganz eindeutig als Lächeln zu interpretieren ist. Unnahbare Arroganz kann man den sich hier warm laufenden Athleten sicher nicht vorwerfen.

Wie auch? Es sind Hunde. Eine Agility-Prüfung ist angesagt auf dem Gelände der Hundehalterorganisation SKG (Schweizerische Kynologische Gesellschaft) Sektion Zürich, ganz am Rande der Stadt in Affoltern. Wer da ein gemütliches Beisammensein von plaudernden Hündelern erwartet, hat sich gründlich getäuscht. Agility ist Sport, und das merkt man den beteiligten Menschen auch an. Auf der Wiese sind zwei Hindernisparcours aufgestellt, neben jedem Gerät befindet sich eine Nummer. In der so ausgewiesenen Reihenfolge wird der Kurs von den Damen und Herren Hundeführern besichtigt.

Es ist tatsächlich eine Besichtigung, wie man sie etwa von Skirennen kennt. Wohl an die fünfzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer laufen zwischen den Hindernissen umher, tänzeln mit halb geschlossenen Augen, gehen in die Knie und tauchen wieder auf, beschreiben mit ihren Armen die Ideallinie und üben die Schlüsselstellen, an denen sie später den eigentlichen Stars - ihren Hunden - die richtigen Kommandos geben müssen. Deuten, klatschen, zischen. Andere «gehen den Lauf im Geist noch einmal durch», wie Fernsehreporter gerne sagen. Der augenfälligste Unterschied zu etablierteren Sportsfreunden sind die Markennamen. Statt «Nike» steht hier «Qualipet» auf der Dächlikappe.

Nichts ist dem Zufall überlassen
 

Agility ist eine Art Springreiten für Hunde. Zum Glück jedoch sitzt der Besitzer nicht auf seinem Tier, sondern läuft Befehle erteilend nebenher durch den Kurs. Wie jeder anständige Sport ist auch Agility international vernetzt und durch und durch standardisiert. «Da ist nichts dem Zufall überlassen», weiss Gabriela von Rautenkranz vom Verein Hundesport Bassersdorf. «Es gibt drei verschiedene Grösseklassen, Small, Medium und Large. Das jeweilige Spektrum für die Hindernisse ist genau definiert, man muss sie mit dem Zentimetermass aufstellen.» Übungen wie die Sprünge oder der Slalom sollten möglichst schnell absolviert werden, andere Geräte verlangen von den Vierbeinern eine gewisse Genauigkeit: Bei der Wippe oder beim schmalen Laufsteg müssen so genannte Kontaktzonen am Beginn und am Schluss des Geräts berührt werden, sonst hagelt es Fehlerpunkte.

Neben der Einteilung nach Grösse existiert natürlich auch eine nach Güte. Jeder Hund muss die Klassen A (für «Anfänger», gilt nur bei «largen» Tieren), 1 und 2 durchlaufen, bevor er in die Eliteklasse 3 aufsteigt, gleichsam in die Agility Premier League. All diesen Einteilungen entsprechend trifft man auf den AgilityParcours auch die unterschiedlichsten Leute. Und die unterschiedlichsten Hunde. «Die, die wie verrückt Agility betreiben», erzählt von Rautenkranz, «kaufen von Anfang an Rassen wie den Border Collie, den Australian Shepherd oder Aussie und den Groenie, den Groenendale».

Beim Betrachten eines Wettkampfs oder Trainings wird rasch klar, warum. Wie besessen rasen die Border Collies über die Hindernisse, stockgerade, flach und dermassen schnell, dass sie aussehen wie ein gut gestärkter Schal im Orkan. Auf Grund der völligen Aussichtslosigkeit, als Mensch und Kommandogeber da einigermassen mitzuhalten, ist es notwendig, die Hunde vor allem durch Zurufe lenken zu können. «Appell» nennen das die Fachleute, Timing und Distanz sind die wichtigsten Faktoren. Der Hundeführer muss genau wissen, wann er wo stehen muss und was er wie anzuzeigen hat. Es kann auch einmal vorkommen, dass man an einen Hund, der grössere Abstände gewohnt ist, zu nahe herankommt und ihn dadurch wegdrückt, am Hindernis vorbei. Hans Peter Keller, einer der Agility-Trainer in Bassersdorf, erzählt sogar von noch subtileren Einflüssen auf das Verhalten der «Sportler»: «Wenn ich meine Aufmerksamkeit zu früh abwende, den Hund zu früh loslasse, dann lässt er mitten im Sprung plötzlich die Beine hängen und reisst die Stange.»

Der gewitzte Mischling
 

Am Samstag veranstaltet der HS Bassersdorf auf dem Affoltemer Gelände erstmals selbst eine Agility-Prüfung. Der Andrang ist gross: Von den 300 Anmeldungen mussten 80 wieder zurückgeschickt werden. Hoch Ambitionierte, die sich gleich mit mehreren Hunden beteiligen wollten, wurden gebeten, nur mit einem Kämpfer zu starten. Es gibt aber nicht nur verschiedene Grade des Ehrgeizes, sondern auch unterschiedliche Ansichten zur Hundepolitik. Während Vereine wie die Bassersdorfer Mischlingshunde gerne dabei haben, erlaubt die übergeordnete SKG pro Mitglied nur einmal einen solchen. Dass diese Massnahme nicht unbedingt sportlich motiviert ist, bewiesen die Sensationen» an den zwei letzten Schweizer Meisterschaften. Die heute 16-jährige Luzia Mathis gewann ihre Grössenklasse beide Male mit einem, laut Gabriela von Rautenkranz, «herzigen, gewitzten Mischling», was die anwesende Top-Crack-Gemeinde in Unglauben stürzte.

Doch bei allem Wettkampfgeist: Die durchchoreografierten, wilden Freudenrituale der Teilnehmerpaare erhärten die Überzeugung der meisten Agilitianer, dass es den Hunden Spass macht. Wobei «Spass» noch ein wenig zu kurz gegriffen scheint. Fast alle Hunde beben am Start vor Erregung, ihre erwartungsvolle Körperspannung kann durchaus mit jener von Hermann Maier konkurrieren. Ob sie jedoch wirklich genau wissen, worauf es ankommt, muss bei aller Bewunderung bezweifelt werden. Immer wieder kann man beobachten, dass ein Hund nach einem Fehler beim Slalom trotz ungestümer Befehle nicht einfach neben, sondern durch den Slalom wieder zum Anfang des Gestänges zurück geht. Ach, Tasso! Das kostet doch Zeit!!
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