Aus des verschlungenen Chefetagen des mächtigen Verlagshauses, das diese Musikzeitung betreibt, wurde mir versichert, dass meine kleine Kolumnenreihe nicht endet, nur weil ich frühzeitig über das letzte meiner „15 Platten“-Musikerklär-Videos schreibe. Die letzte Folge, so dachte ich im Herbst 2023, soll eine LP aus dem aktuellen Jahr beinhalten. Etwas Neues aus der immer noch wuchernden Indie-Musiklandschaft. Und wenig schien mir 2023 so klar, geschmackvoll und im wahrsten Sinne des Wortes schillernd wie „Star Eaters Delight“ von Lael Neale. Lael Neale ist eine Songwriterin, die zwischen den ziemlich unterschiedlich gehaltenen US-Bundesstaaten Virginia und Kalifornien hin- und herpendelt. Interessant ist die Geschichte ihrer Studiokarriere. Mit der reduzierten Gitarre-und-Gesang-Platte „I’ll Be Your Man“ hatte sie 2015 einigen Erfolg, und wie man das halt so denkt, wollte sie dann voll reinhauen, mit einem grösseren, einem fett arrangierten, einem studiotechnisch ausgefeilten Zweitalbum. Nur: Nichts von dem, was sie fand oder an sie herangetragen wurde, gefiel ihr. Im Gegenteil, die eigene Stimme schien ihr unter den vielen Noten, Sounds und Produzententricks abhanden zu kommen. Dann traf sie auf den Gitarristen Guy Blakeslee und das Omnichord. Blakeslee sagte, er glaube, Neale müsse selber mit einfachen Mitteln aufnehmen und herumprobieren können. Und das Omnichord, eine Art Primitiv-Orgel ohne Orgeltastatur, dafür mit Knöpfen, die die Akkorde festlegen, war so ein einfaches Mittel, das Neale ermöglichte, frisch an die eigene Musik heranzugehen. Also machten die drei, Neale, Blakeslee und das Omnichord, relativ rasch zwei Platten. Die zweite davon ist „Star Eaters Delight“. Das Schillernde, von dem hier schon die Rede war, kommt direkt aus dem Tasteninstrument ohne Tasten. Auf dem Omnichord ist nämlich auch eine Metallleiste angebracht, und wenn man über sie mit dem Finger fährt, werden die Akkorde in Zerlegungen wiedergegeben. Alle acht Lieder auf „Star Eaters Delight“ sind vom Glanz des Omnichord-Sounds durchzogen. Dazu gibts mal Rhythmbox und rasant gespielte tiefe E-Gitarrentöne („Faster than the Medicine“), mal Spukklavier („Lead Me Blind“), mal Mellotron-Streicher, die klingen wie aus einem alten Radiogerät („Must Be Tears“). Immer wird man von klaren Gesangsmelodien durch den Song geleitet, so auch im Opus Magnum des Albums, dem Achtminüter „In Verona“. Darin schildert Neale mantrenartig die Bubblebildung am berühmten Beispiel der Familien von Romeo & Julia. „Star Eaters Delight“ ist eine zu gleichen Teilen entrückte und präzise Platte. Ich denke mir das selten, aber im Grunde müsste diese Musik jedem gefallen. https://www.youtube.com/@DukGef 15. Platte von 15: «Star Eaters Delight», Lael Neale, 2023, Sub Pop
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