Man soll sich ja vor Verallgemeinerungen hüten, aber nach Meinung Ihres demütigen Videoplapperers ist es so: Wenn man sich im Teenageralter einigermassen obsessiv mit Rockmusik beschäftigt, gibt es genau eine Platte, die einem das Hirn um 180 Grad dreht. Oder die einen vom Kopf auf die Füsse stellt, je nach Interpretation. In meinem Fall war das, und zwar ganz eindeutig: «Ummagumma» von Pink Floyd.

«Ummagumma» ist ein Monstrum. Ein Doppelalbum von 85 Minuten Spieldauer mit gerade mal neun Stücken darauf. Eine Platte, die einen Bogen spannt – manche würden sagen: überspannt – von impressionistischem Folk über psychedelische, aber durchstrukturierte Improvisationen bis zu Geräuschkomposition. Eine Platte, die 1969 in die Top Ten der britischen Hitparaden kam, die aber heute in nahezu allen Listen auf Pink-Floyd-Fanforen den letzten oder vorletzten Platz einnimmt. Eine verwegene Platte, eine herausfordernde Platte. Eine Platte andererseits, die eine grosse Feier der elektrischen Musik darstellt. Eine Platte, um hier mal was rauszuknallen, die Schönheit und Dissonanz versammelt und die vor allem klarmacht, dass in Dissonanz auch grosse Schönheit liegen kann.

«Ummagumma» vereint eine Live-Platte und ein Studioalbum (auf dem jedes Bandmitglied eine halbe Plattenseite zur Verfügung hat), das war Ende der 60er ein bisschen Sitte. Schuld an der Unbeliebtheit bei den Fans ist die Studiohälfte. «Sysyphus» ist Programmmusik, der ewige Steinraufroller wird mit einem mächtigen Orgel- und Paukenthema, bedrohlichen Soundschichtereien, einem kurzen Idyll samt Vogelgezwitscher und veritabler Katzenmusik (es klingt tatsächlich so, als würden Katzen völlig durchdrehen) beschrieben. «The Grand Vizier’s Garden Party» ist in der Hauptsache ein siebenminütiges Percussion-Solo. Und dann gibts noch drei ähnlich verstiegene Werke. Die Live-Platte bietet vitalen, melodiegetränkten Rock, aber auch hier wird gelegentlich entmenscht geschrien («Careful with that Axe Eugene») oder wirbelndes Chaos ins bedröhnte Publikum gedroschen («A Saucerful of Secrets»). Man muss an «Ummagumma» schon mit offenen Ohren rangehen, aber dann! Dann wird man sehr ordentlich belohnt.

Mit 14 Jahren kannte meine Begeisterung für diese Platte, durch die ich mich kämpfte, bis ich sie zu verstehen glaubte, kaum Grenzen. Aber auch heute würde ich sagen: Wer Pink Floyd – und daran ist diese Band zu 100% selbst Schuld – als sinnentleerte Schönklang-Masturbanten sieht, sollte sich mal die raue Experimentierfreude von «Ummagumma» reinziehen. Und dann kann man ja noch versuchen, sich eine Zeit vorzustellen, in der so etwas in die Top Ten der Hitparaden kam.


https://www.youtube.com/@DukGef
9. Platte von 15: «Ummagumma», Pink Floyd, 1969, Harvest
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